Liebe Bürger,
Es war einmal vor langer, langer Zeit …
da hatte Handwerk noch goldenen Boden. Da wurde ehrliche Arbeit belohnt, da hatte eine anständige Ausbildung noch einen Wert.
Heute ist davon nicht mehr viel übrig.
Nach 56 Jahren hat die Traditionsbäckerei Kolb ihre Türen für immer geschlossen.(1) Eine Bäckerei, die seit jeher in Familienbesitz war, wo noch ab morgens halb zwei das Licht aus den Fenstern der Backstube fiel, weil der Chef selbst Teig ansetzte und Brötchen buk.
Vorgefertigte Industrieware gab es bei ihm nicht; das war ihm wichtig. Warum hätte er sonst ein Handwerk lernen sollen? Um gefrorene Teigklumpen in einen Konvektomat zu schieben?
Die Kunden sind traurig. Ich selbst habe jahrelang meine Brötchen dort geholt. Man konnte schmecken wie frisch sie waren. Dieser Laden wird mir fehlen. Er wird Fulda fehlen.
Das Sterben der kleinen Bäckereien ist kein neues Phänomen. Doch so wie bei Familie Kolb, ist es jetzt Corona, und der damit zusammenhängende Nachfragerückgang, der ihnen den Rest gibt.
Die Probleme beginnen jedoch viel weiter „vorne“, und reichen viel weiter:
Wie viele andere Handwerker auch, haben Bäcker einen harten Job. Gesundheitlich schwierige Arbeitsumgebung, wenige wirkliche Aufstiegschancen, und Arbeitszeiten, die eine Teilnahme an normalen sozialen Aktivitäten oft unmöglich machen. Das alles vor dem Hintergrund einer meist mehr als übersichtlichen Bezahlung.
Es sind die Handwerker, die Alarm schlagen ob des stetig steigenden Renteneintrittsalters. Es sind die Handwerker, die fragen, wie sie bis 67, 68 oder noch länger arbeiten sollen; mit kaputten Knien, mit lädiertem Rücken, mit schmerzenden Schultern.
Kurzum: Handwerk hat nur für diejenigen wirklich goldenen Boden, die es früh schaffen, sich erfolgreich selbstständig zu machen, denn vom Gehalt eines Maler- oder Bäckergesellen kann man heutzutage nur noch schwerlich eine Familie gründen oder gar ein Häuschen bauen.
Ein anderes Problem stellt die stetig wachsende Konkurrenz der Systembäckereien und der Lebensmitteldiscounter dar. Hier ist das Weizenbrötchen mitunter für ein Zehntel des Preises zu haben, den es in einer kleinen ortsansässigen Bäckerei kostet. Ein Konkurrenzkampf, den auch Familie Kolb nicht dauerhaft führen konnte, trotz der zahlreichen treuen Stammkunden.
Dieser immense Preisunterschied liegt unter anderem auch in den Stromkosten begründet. Selbst der günstigere Industriestrom, den sie nutzen können, ist zu teuer, um gegen die Billig-Backstraßen anzukommen.
Aber ganz abgesehen vom guten Geschmack, der langen Tradition und der Sortenvielfalt, die uns mit dem Bäckerei-Sterben unweigerlich verloren gehen würden, führt der drohende Verlust des Bäckerhandwerks zu einem ganz anderen Problem:
Dieses Problem haben die Landwirte.
Ein Bäcker kann mit Mehl backen. Mit Roggenmehl, mit Weizenmehl, mit Dinkelmehl. Mit Mehlmischungen und mit so ziemlich jeder Qualität von Mehl. Ein Bäcker erkennt, wie viel Wasser das Mehl, das er gerade verarbeitet, aufnehmen kann. Er hat das gelernt. Er kann gute Brötchen daraus backen.
Verschwinden die Bäcker, bleiben uns nurmehr die großen Backstraßen. Und die können das nicht. Die brauchen eine festgelegte Qualität des Mehls, eine Art DIN -Norm.
Ansonsten können die Maschinen das Mehl eben nicht adäquat verarbeiten. Aus den Teiglingen würden mitunter nur Mehlklopse.
Nur fragen Sie mal, welcher Landwirt heute eine bestimmte Qualität an Korn ernten kann! Zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken. Jedes Wetter beeinflusst die Ernte in Qualität und Quantität. Wenn der Landwirt allerdings gezwungen ist, eine bestimmte Qualität zu liefern, wird er über kurz oder lang zu Hilfsmitteln greifen müssen. Ein sehr bekanntes und ebenso umstrittenes ist Glyphosat.
Sie sehen: Das Thema ist ungeheuer komplex und betrifft eine Vielzahl von Branchen. Unter’m Strich kann man aber sagen, dass ein starkes, vielfältiges und selbstbewusstes Handwerk viele unserer Probleme lösen könnte.
Dazu brauchen wir eine Ausbildungsinitiative. Es braucht gute Löhne. Es braucht Perspektiven, eine realistische Rentenregelung und vor allem: Es braucht den Respekt und die Anerkennung der Gesellschaft.
Handwerk muss wieder attraktiv werden.
Familie Kolb wird all dies nichts mehr nützen. Sie wollen sich die letzten Jahre vor der Rente beruflich umorientieren.
„Nichts mehr mit Backen.“, sagt Frau Kolb, „Und nichts mehr in Vollzeit.“, ergänzt sie. Sie möchte nun erstmal wieder gesund werden.(1)
Es grüßt,
Ihr Pierre Lamely
Kreisgeschäftsführer & Spitzenkandidat der AfD zur Stadtverordnetenwahl 2021
Quellen:
(1) https://osthessen-news.de/n11641534/aus-nach-56-jahren-traditionsbackerei-kolb-im-wallweg-musste-schliessen.html